Sicht der Dinge

Aktuell mehren sich in den öffentlichen Medien wieder Artikel zum Thema Mountainbiken auf Trails und Konflikten im Wald. Alles unter der Brisanz der 2m-Regel hier in BaWü und ich bin dankbar, dass auch meine Meinung gehört wurde. Ich plädiere für ein Miteinander, für Kompromisse und für einen Blick auf die aktuelle Entwicklung bzw. Zukunft der Gesellschaft. Dann meine ich kann es recht einfach gehen. Das volle Interview hier:

Herr Gathof, geraten Sie beim Radeln durch die Wälder oft mit Menschen aneinander, die dort zu Fuß unterwegs sind?

Ich bin fünf- bis sechsmal die Woche beim Trainieren, allerdings meist vormittags und an Werktagen – da kommt es vielleicht einmal im Jahr zu einer Diskussion mit einem Wanderer. Aber ich behaupte auch, ich verhalte mich entsprechend. Das bedeutet: Damit es ein Miteinander im Wald gibt, reduziere ich das Tempo und mache mich bemerkbar, wenn ich auf einem Waldweg auf jemanden zu fahre. Dafür braucht es nicht einmal eine Klingel, es reicht, ein freundliches „Dingdong“ zu rufen. Auf den Trails selbst sind selten Fußgänger unterwegs.

Sonst noch Vorschläge, um die Konflikte unter den verschiedenen Nutzern im Wald einzudämmen?

Dass es im Ravensburger Hirschgehege einen Aufschrei gibt, wundert mich nicht – da enden aus dem Gebüsch kommende Trails teilweise auf dem viel frequentierten Forst- und Fußweg. Ich verstehe, dass Fußgänger sich erschrecken, wenn da plötzlich ein Radler raus schießt. Darum appelliere ich an den gesunden Menschenverstand der Mountainbiker: Sie sollten zehn Meter vorher anfangen zu bremsen und im Schritttempo rauskommen. Das muss in die Köpfe rein. Radler sind im Wald die Schnelleren und Stärkeren – darum muss man sie in die Pflicht nehmen.

Würden Verbote was bringen?

Das glaube ich nicht. Außerdem ist es doch toll, wenn sich viele Leute sportlich im Wald betätigen. Gerade bei Jugendlichen ist es doch besser, als dass sie vor dem Smartphone oder der Spielekonsole hängen. Wer sich draußen bewegt, tut was für seine Gesundheit und belastet das allgemeine Krankensystem weniger. Außerdem gibt es zig Studien, die besagen, dass die Mountainbiker von heute die Wanderer von morgen sind. Daher bemühen sich Urlaubsorte wie Ischgl darum, Biker anzulocken.

Was halten Sie von speziell ausgewiesenen Trails wie beispielsweise in Weingarten oder Markdorf?

Politiker mögen das für eine einfache und schnelle Lösung halten – ich glaube aber nicht daran und halte wenig davon, ein bis zwei Trails zu bauen, auf denen dann alle Biker fahren sollen. Hinter dem Flowtrail in Weingarten, der von Ehrenamtlichen gepflegt wird und auf dem Fußgänger verboten sind, steckt zwar ein guter Gedanke und das Konzept an sich ist vorbildhaft. Aber im Moment entstehen auch dort viele wilde Wege. Der Flowtrail ist anfangs cool und auch immer wieder nett zu fahren, aber irgendwann wird er langweilig. Wanderer oder Bergsteiger gehen ja auch nicht ständig auf denselben Berg. Darum wäre es meiner Ansicht nach besser, in Zusammenarbeit mit den Förstern klare Bereiche auszuweisen, in denen Mountainbiken auf Trails erlaubt ist und Trails angelegt werden dürfen. Andere Areale wären im Gegenzug wegen Wildtieren oder Erosion einvernehmlich tabu. Ergänzend zu solchen Abschnitten braucht es Aufklärung und Information – auf beiden Seiten. Das muss auch in den Schulen und Vereinen passieren. Dann können sich Jogger und Spaziergänger auf Mountainbiker einstellen und anders herum. Auch die wenigen Biker, bei denen der Spaß über der Natur steht, könnten so ein besseres Verständnis für den Wald und das Miteinander dort bekommen. Zudem könnte man vereinbaren, dass zwischen November und März in bestimmten Gebieten Pause ist, damit das Wild sich zurückziehen kann. Oder man schließt Trails wieder, wenn dort aufgeforstet wird. Auf diese Weise würde sich das Angebot im Lauf der Jahre immer wieder verändern. Wenn Land und Forst dafür Personal abstellen, bin ich mir sicher, dass das günstiger wäre, als Geld für einen coolen Trail auszugeben. So könnte man das wilde Bauen von Trails eindämmen, da bin ich mir sicher.

Schön und gut – aber verboten. Laut Gesetz dürfen Radler ja nur auf Wegen, die mindestens zwei Meter breit sind, fahren.

Diese Zwei-Meter-Regel, die übrigens längst nicht in allen Bundesländern gilt, ist überholt, sie müsste fallen – dazu gab es schon Unterschriftenaktionen im baden-württembergischen Landtag. Mittlerweile sind viel mehr Menschen mit dem Mountainbike im Wald – da passt das Gesetz einfach nicht mehr.

Dank E-Bike-Boom und Corona wird es im Wald also voraussichtlich nie wieder so still und friedlich sein wie früher?

Eher nicht. Es gibt Studien des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) dazu, dass von Leuten, die wegen Corona aufs Radeln gekommen sind, zwei Drittel auch nach der Pandemie diesem Sport treu bleiben werden. Er ist nach 40 Jahren in der Mitte der Gesellschaft angekommen und gilt nicht zuletzt in Bezug auf Urlaubsziele als enormer Wachstumsmarkt. Corona und die E-Bikes haben diese Entwicklung definitiv befeuert. Wobei ich kein Freund davon bin, wenn E-Biker mit schwerem MTB-Gerät durch den Wald preschen. Da so ein Fahrrad doppelt so viel wiegt und gröbere Reifen als ein normales Mountainbike hat, macht es im Wald bei unsachgemäßer Nutzung viel kaputt. Hinzu kommt, dass man mit einem E-Mountainbike ja schneller irgend wohin kommt – was bedeutet, dass viele Trails weitaus öfter als bisher frequentiert werden. Da verstehe ich, wenn Waldbesitzer, die Trails bisher noch toleriert haben, so langsam sagen: „Jetzt wird es mir zu viel.“ Das heißt nicht, E-Biker sollen nicht in den Wald. Nur, wenn das E-Bike als reines Spaßgerät genutzt wird, sehe ich diesen Boom kritisch.

#mountainbike #wald #zukunft

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